Don’t worry, Chicken Curry!

Es sollte doch alles ganz einfach werden. Helge Timmerberg der Dr. Gonzo Germany hatte es uns vorgemacht: Einfach nach Indien fliegen, nen dicken Pulli  kaufen und rauf in den Himalaya zur Quelle des Ganges steigen, aber ganz so einfach war es dann doch nicht.

(1.Auszug Reisetagebuch)

…Today is holiday , Sir!                                                                                                           13.08.2011

Wir sind endlich, auf den Spuren von Timmerberg, zwischen Rishikesh und Gangotri in Uttarkashi gelandet. Gute 24 Stunden Reise haben uns über verschiedene Stationen und Verkehrsmittel hierher gebracht. Reisen in Indien ist für uns mittlerweile ein heikles Thema, denn bereits in der vierten Nacht unseres Aufenthalts mussten wir Zeugen eines heftigen Busunglücks werden. Seitdem wir die blutüberströmten Backpacks aus der total zerstörten Front unseres Reisebusses gezogen haben, arbeiten wir an der Aufarbeitung dieses Erlebnisses. Doch auch ohne Trauma ist die Fahrt auf einer ungesicherten Straße, zu zwölft in einem verrosteten Jeep am Rande eines kilometertiefen Abhangs eine nervenaufreibende Angelegenheit. Im Moment sitzen wir im Wintergarten des Monal Guesthouse und blicken hinab auf den jungen Ganges, der sich rasant seinen Weg durch die glattgeschliffenen Felsen bahnt. Seine Quelle ist unser Ziel, allerdings halten uns zwei Dinge hier fest:  Der Regen und die Religion. Der Regen, weil durch ihn das Sediment durchweicht ist und es entlang der Gebirgspässe immer wieder zu Steinschlägen und Erdrutschen kommt. Die Religion, weil heute Feiertag ist, „Sister-Love-Day“ oder so. Deshalb hat auch keiner Lust die Steinmassen auf der Straße nach Gangotri wegzuräumen. Morgen ist Sonntag und das Forrest Department macht erst wieder am Montag auf…

Unverhoffterweise war an jenem Montag „Independence Day“ und weil die Inder das verlängerte Wochenende  angemessen feiern wollten, waren alle Geldautomaten in Uttarkashi  leergeräumt. Als wir Dienstag endlich Geld abheben wollten um weiter zu reisen, erreichte uns die Nachricht, dass sowohl vor als auch hinter uns Erdrutsche die Straße mitgerissen hatten. Ein Italiener und eine Russin kamen ins Gasthaus, sie hatten das gleiche Ziel. Wir hielten eine Krisensitzung ab und der Besitzer der Herberge, ein erfahrener Bergsteiger, gab uns einen weisen Rat: „If you wnat to go – then GO!“  Der Italiener hatte Geld wie Heu und machte keine Anstalten uns auszuhelfen, also packten wir da Nötigste zusammen und gingen am nächsten Morgen los

(2.Auszug Reisetagebuch)

Wir sitzen fest in Gangotri.                                                                                                        17.08.2011

Alle Gebirgspässe um uns herum sind gesperrt. Die Dorfpolizei (ein junger Kerl der kaum Englisch spricht und ständig an seinem Schal rumknabbert) hat uns verboten zur Quelle zu steigen, da auf dem Weg bereits rund 20 Touristen von Schneemassen eingesperrt sind. Es gibt keine Jeeps und das Wetter bleibt unbeständig (nasskalt bei ca. 6 Grad). Wir essen seit Tagen nur noch Linsensuppe und Kohl. Ferdinando denkt darüber nach, einen Helikopter zu rufen. Er konsultiert täglich Swami Sundranand, den Oberguru des Dorfes. Dieser rät: „Sei genügsam, meditiere täglich und halte dein Haus sauber!“  

Der Spruch war voll daneben! Gefangen auf 3500m im Himalaya. Wir waren den Naturgewalten hilflos ausgesetzt und für die feuchtkalte Witterung überhaupt nicht ausgerüstet, von wegen Pulli und so, ich war da oben in meinen Turnschuhen! Nach einigen Tassen Tee und mehreren Zigaretten im  „Sweet Coffee Shop“ sah ich mich um und merkte dass außer dem Italiener und seiner Schickimicki Freundin alle ziemlich entspannt waren. Niemand der Dorfbewohner schien sich großartig darum zu kümmern, dass rings um sie herum die Felsblöcke von den Bergen rollten. Auch diejenigen, die sich in den Yogatempeln, den sogenannten Ashrams, niedergelassen hatten, sah man gelegentlich mit einem Lächeln auf den Lippen, wenn sie ihren Lotussitz übten. Eigentlich waren nur wir es, die sich Sorgen machten. Ich, weil ich doch zur Quelle des Ganges wollte und zusah wie der Weg dorthin immer unüberwindlicher wurde und Ferdinando, weil er ein neurotischer Italiener war und Angst hatte, er könnte seinen Rückflug verpassen.

Wie peinlich! Hier im heiligen Gangotri unweit der Quelle von Mama Ganga, hier scheiß ich mir in die Hose wegen so etwas belanglosen wie Niederschlag?  Ich erinnerte mich an die Worte eines Guides, den wir in Kaschmir kennengelernt hatten. Er sagte stets:„Don’t worry, chicken curry!“, mehr gab sein Englisch nicht her. Wer hätte gedacht, dass dieser Spruch zum Leitsatz unserer gesamten Reise werden würde? Wir schauten uns noch einmal den zerstörten Pfad zur Quelle an. Sadhus, orange gekleidete Pilgermönche kamen uns entgegen. Unbeirrt hoben sie ihre Gewänder hoch und liefen barfuss durch die eiskalten Gebirgsbäche. Hatte ich mich wirklich über nasse Füße beschwert? Auf dem Weg kamen wir immer wieder an Steinhöhlen vorbei, die bescheidenen Unterkünfte derer, die durch Meditation ihren Frieden suchen. In der folgenden Nacht trockneten wir unsere Schuhe über Kerzen, genossen die beruhigende Kraft des Gebirges und lauschten dem Rauschen des Flusses. Am Morgen gingen wir in den Tempel und ließen uns mit dem Zeichen der Erleuchtung, einem rotem Punkt zwischen den Augen, segnen denn die nächsten 100 Kilometer würden wir zu Fuß zurücklegen.

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