NACH 3000 KM STOP

In Istanbul angekommen STOP Nach 3000 km STOP
Die Berichterstattung auf einer Fahrradtour von Berlin nach Indien lässt sich nicht nebenbei erklären. Sie geschieht zwar nebenbei, die Dokumentation ist dabei aber so subjektiv geprägt, dass der Reporter, also ICH erst im Nachhinein versteht, was er da eigentlich gemacht hat. Mein Gehirn ist ohnehin überfordert. Es scheint bei jeder größeren Gelegenheit vergessen zu wollen, dass wir mit dem Fahrrad unterwegs sind. Ich sehe die Dinger zwar vor mir, aber unterbewusst reime ich mir irgendetwas zusammen, dass mir erklärt, ich habe das Rad zwar dabei, bin aber natürlich mit dem Flugzeug hierher geflogen, oder so ähnlich. Sehr bedenklich, oder? Jedenfalls sind wir de facto über 3000 km hierher nach Istanbul gestrampelt und NEIN, es war kein Kinderspiel! Es war machbar, d.h. es wurde gemacht, es ist überstanden wenn man so will, aber das wäre zu hart. Es war eine unglaubliche Reise durch wunderschöne Landschaften und vorbei an Horden von scheinbar immer freundlicheren Menschen. Osteuropa – ein Fahrradfahrer-Paradies!
Jetzt sitzen wir an der Schwelle zu Asien. Das Nadelöhr durch das alle Verrückten, Tramper, Radfahrer, Zu-Fuß-Geher usw. durch müssen und bisweilen stecken bleiben. Es sind verschiedene Ursachen die zum Hierbleiben führen: Visa, Reparaturen, Freunde, die Gastfreundschaft, oder schlicht diese wahnsinnige Stadt mit ihrem ganz speziellen Zauber. In unserem Fall kommt alles zusammen. Die Visa-Frage hat sich wie so viele Dinge während der Fahrt beantwortet. „Ich hätte den Pass in Deutschland lassen sollen!“ So wie Thomas und Erik, die eine Agentur beauftragten um das Pakistanische und Indische Visum zu erhalten. Zu dieser Einsicht kam ich jedoch erst in Rumänien und wagte es meinen Pass inkl. Visa-Anträgen und Fotos per Post zurück nach Berlin zu schicken. Zwar erfolgreich, trotz schlechtem Ruf der rumänichen Post, aber mit dem Ergebnis, dass er noch heute dort bei der Pakistanischen Botschaft liegt. Es heißt also warten und Tee trinken und das dürfte hier kein Problem sein…
Langweilig wird mir bei mittlerweile über 250GB Video und Fotomaterial sowieso nicht. Die Berichterstattung hängt bald 2 Wochen hinterher. Geht es nach den Videos, sind wir noch immer in Bulgarien. Unsere Ankunft in die Türkei wurde aber pünktlich mit dem ersten Internet Zugang nach der Grenze kommuniziert. Ich rechtfertige die verzögerte Veröffentlichung der Videos, erstens damit, dass ich sie ja erstmal schneiden muss und zweitens, dass wir bald Gefilde erreichen werden, in denen das Internet ein rares Gut ist und irgendwann gewisse Plattformen überhaupt nicht mehr erreichbar sein werden…
So sitze ich also im Zimmer unseres lieben Freundes Jorin und schneide fleißig vor mich hin. Der Gute plant im Moment selbst einen Roadtrip. In seinem Fall wird getrampt, von Istanbul nach Berlin. Auch mit Dokumentation, auch für einen guten Zweck – vorbildlich! Zur Übung ist er jetzt mal kurz nach Griechenland getrampt und somit habe ich seinen Schreibtisch ganz für mich und meinen leiben Mac. Ich bin stolz auf mein Prestigeobjekt. Jeder weiß um die Mac-Windows Rivalität. Als Wonna-Be-Journalist muss es natürlich der Silberling von Apple sein. Aber wenn ich Thomas vor seinem Plastik-Kästchen fluchen höre, dann überkommt mich manchmal ein Gefühl von Bestätigung und der Mac läuft für kurze Zeit noch besser als sonst. Auch die Canon 550 D macht ihren Job gut. Bisher sind 3 Stürze zu verzeichnen, fast alles Eigenverschulden, oder aber auch nur Pech. Nun hat mein variabler ND-Filter einen Riss und – achja, kurz vor Wien bin ich dummer Weise noch über meinen Viewfinder gefahren. Es ist unglaublich was man mit Panzertape nicht alles machen kann. Man nennt mich übrigens auch den Mac-Gyver unter den Videojournalisten – Wortspiel entdeckt? Die GOPRO Hero 2 ist ein Schmuckstück dessen Wert der Banause erst nach 3000km erkennt. Damit habe ich mich als blutiger Anfänger ge-outet, aber ich steh dazu. Die Klebe-Clips, waren nicht zufällig in der Verpackung und seitdem ich nicht mehr aus der Hand filme danken mir das auch die Zuschauer! Die ersten Strand-Wasser-Versuche stehen noch aus.
Die Türkei und vor allem Istanbul ist der beste Ort für diese Verschnaufpause. Als Gelegenheitsberliner mit Kreuzberger Adresse ist die türkische Kultur indirekt auch in mein Leben eingeflossen. Die Gelegenheit Land und Leute jetzt hautnah zu erleben ist unheimlich spannend. Thomas hat uns alle mit einem Audio-Sprachkurs für Türkisch ausgestattet. So hatten wir Zeit schon vorher beim Radfahren die Sprache zu lernen. Nagut, lernen ist zuviel gesagt, reinhören kommt eher hin. Vielleicht reicht es ja nach diesem Monat in der Türkei bald zu einem kleinen Schwätzchen mit Mustafa beim nächsten Gemüse-Döner.
Um den Bogen nicht zu überspannen kommen wir zurück zur Berichterstattung. Vor dieser Reise hatte ich mehr Erfahrung vor der Kamera als dahinter. „Ich bin kein Kameramann“ hör ich mich noch am Anfang der Tour sagen. Gott sei Dank habe ich mich meinem Schicksal ergeben und die Filmerei als Herausforderung angenommen. Das Feedback ist positiv, manch einer meint die Videos würden immer besser, die Erfahreneren unter den Kollegen üben sich in schüchterner Kritk – BITTE IMMER HER DAMIT!!! Man will ja ewas lernen. Im übrigen freunde ich mich auch immer mehr mit der Idee an einen Dokumentarfilm auf eigene Faust zu schneiden. Irgendwann muss man ja anfangen Nägel mit Kopfen zu machen, oder besser gesagt, wer mit dem Rad nach Indien fährt, der muss darüber auch nen Film machen! So seh ich das – macht doch Sinn, oder?

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